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Intuitive Robotik – Programmieren ohne Vorkenntnisse

Als Kommunikationsspezialist bei Agile Robots schreibe ich regelmäßig über unsere Roboter. Das Schreiben ist mein Handwerk, Sprachen mein Hobby: Ich spreche Spanisch, Englisch und Deutsch. Programmiersprachen sind nicht Teil meines Repertoires. Bevor ich in die Welt der Robotik eintauchte, assoziierte ich Python vorwiegend mit der australischen Würgeschlange. 

Das hat sich mittlerweile geändert – wobei ich immer noch nicht in der Lage bin, Programme zu schreiben oder Code zu lesen. Dank fleißiger Entwickler vertraue ich stattdessen auf intuitive Benutzeroberflächen, die mir den Alltag vereinfachen. Ähnlich wie die Verwendung von Google Maps anstelle von Kartographie.  

Vor einiger Zeit nahm ich an einer Schulung teil, die mir den Leichtbauroboter Yu 5 Industrial näherbringen sollte. Am Ende des Tages konnte ich mehrere industrielle Anwendungen eigenständig umsetzen.  

Auch hier lautete das Stichwort „intuitiv“. Das Wort stammt aus dem Lateinischen "intueri“ und bedeutet so viel wie "anschauen" oder "betrachten". Gemeint ist, dass Dinge aufgrund eines visuellen Verständnisses nachzuvollziehen sind. Umfassende Analysen sind nicht erforderlich. 

Nach einer kurzen Einführung machte ich mich an die Programmierung meiner ersten Aufgabe: Den Roboter so zu bewegen, dass er zu einem bestimmten Punkt navigiert, dort den mechanischen Greifer öffnet, der als Endeffektor am Roboter befestigt ist, ein Objekt aufnimmt und auf der anderen Seite des Tisches wieder ablegt.  

 

Einfache Handführung 

Dank einer Mischung aus Handführung und intuitiver Benutzeroberfläche gelang mir das bereits nach wenigen Minuten. Ich griff den „Kopf“ des Yu 5 Industrials, führte diesen direkt über das zu greifende Objekt und speicherte meine erste Position. Dafür reichte ein kurzer Klick in der Benutzeroberfläche. Anschließend führte ich den Kopf weiter runter, bis er sich nur wenige Millimeter über dem Objekt befand und speicherte die Position. Dann schloss ich den Greifer und speicherte die Aktion erneut. Um zu garantieren, dass das Objekt gerade aufgenommen wird, ließ ich dieses im 90° Winkel anheben.  

Im Anschluss bewegte ich den Roboterarm auf die andere Seite des Tisches und wiederholte die Bewegung im gespiegelten Ablauf.  

Ich hatte meinen ersten einfachen Maschinenbeschickungstask programmiert – und das in weniger als 5 Minuten.  

Dann lernten wir die Blending Funktion kennen, die den Ablauf weiter optimiert. Statt die verschiedenen Positionen einzeln anzufahren und jedes Mal anzuhalten, sobald die Position erreicht wurde, optimiert der Roboter die Wege eigenständig, erzeugt glatte Übergänge und fährt die Position direkt an (siehe Bild unten). 

Wiedererkennung durch AgileTags 

Im Anschluss wurden uns die AgileTags gezeigt. AgileTags sind QR-Codes, die auf ein Koordinatensystem verweisen, das dem Roboter zur Orientierung dient. Sie fungieren als Referenzpunkte für eine programmierte Anwendung und verweisen auf wichtige Informationen über ein Objekt oder eine Aufgabe.  

Im Rahmen der darauffolgenden Aufgabe setzten wir uns näher mit der intelligenten 2D-Kamera des Roboters auseinander. Dafür platzierte ich den AgileTag im Sichtbereich des Roboters, der den QR-Code umgehend erkannte. Dann speicherte ich den gewünschten Bewegungsablauf ab. 

Da der Yu 5 Industrial seine eigene Position in Relation zum Koordinatensystem wiedererkennt, konnte ich den Leichtbauroboter nun beliebig bewegen. Unabhängig von der Ausgangsposition erkannte dieser die zu greifenden Objekte eigenständig wieder und führte den Task zuverlässig aus.  

Der Mehrwert liegt auf der Hand: Die AgileTags verleihen dem Yu 5 Industrial ein hohes Maß an Flexibilität. Sie ermöglichen es, dass sowohl der Roboter, als auch die Teile nahezu beliebig platziert werden können. Dadurch kann der Roboter an verschiedenen Stationen genutzt werden, während die Komponenten keinem vorhersehbaren Muster mehr folgen müssen. Letzteres ist gerade bei losen Teilen wie Schrauben von Vorteil.  

 

Intelligentes Sortieren 

Darüber hinaus ist die smarte Kamera des Yu 5 Industrials in der Lage, Objekte nach Beschaffenheit oder Farben zu klassifizieren. Das ist insbesondere für Qualitätsprüfungs- oder Sortieraufgaben nützlich.  

Im Rahmen der Schulung lagen uns drei unterschiedlich farbige Bausteine vor, die wir in drei verschiedenen Kisten platzieren sollten. Auch dieser Prozess begann damit, dass ich den Roboter eigenständig trainierte. Dafür legte ich die Bausteine abwechselnd ins Sichtfeld des Roboters, klassifizierte die Farbe und nahm mehrere Bilder auf. Nach einigen Fotos, die ich in weniger als 20 Sekunden machte, wusste der Roboter, dass ihm ein grüner Baustein vorlag. Anschließend klassifizierte ich auch die anderen beiden Farben auf dieselbe Weise. 

Dann begann ich den Bewegungsablauf zu programmieren und zu speichern: Roboter betrachtet Bausteine, klassifiziert sie, greift gewünschten Baustein und platziert ihn in der dafür vorgesehen Kiste - und in kürzester Zeit befanden sich alle Bausteine in den richtigen Kisten.  

Auch diese Aufgabe konnten mein Schulungspartner und ich in wenigen Minuten ausführen. Seit Beginn des Trainings waren noch keine 2 Stunden vergangen und schon hatten wir ein umfassendes Verständnis des Roboters und seiner Benutzeroberfläche gewonnen.  

Programmieren mit Python 

Auch die, die lieber direkt auf den Code zurückgreifen möchten, statt die intuitive Benutzeroberfläche zu nutzen, kommen auf ihre Kosten. Denn: Der Yu 5 Industrial lässt sich auch via Python programmieren. Diese Option bietet noch tiefgehendere Programmiermöglichkeiten für den Anwender.  

Wie bereits erwähnt, habe ich keinerlei Programmiervorkenntnisse. Dank einer ausführlichen Anleitung und verschiedener Beispiel-Befehle konnte ich Python trotzdem nutzen. Dafür kopierte ich einfach die nötigen Befehle aus der Skill Bibliothek, passte die Variablen an und probierte verschiedene Dinge aus. Am Ende griff der Roboter das richtige Objekt und platzierte es an der dafür bestimmten Stelle.  

Am Ende des Tages konnte ich mehrere Aufgaben eigenständig programmieren, obwohl ich keine Programmiersprache beherrsche. Dank der benutzerfreundlichen Oberfläche gelang mir das in nur wenigen Minuten.
Henner Brandes, Kommunikationsspezialist bei Agile Robots

Mein Fazit 

Ich bin während der Schulung nicht zum Programmierer geworden – die intuitive Nutzung des Yu 5 Industrials hat jedoch bewiesen, dass das auch gar nicht notwendig ist.  

Am Ende des Kurses hatte ich mehrere industrielle Anwendungen erfolgreich programmiert und ausgeführt. Sowohl die Pick and Place als auch die Sortieraufgaben sind so auch in der industriellen Fertigung aufzufinden.  

Was ich in kürzester Zeit gelernt habe, kann in der Produktion dazu beitragen, dass bestehende Mitarbeiter entlastet werden, dauerhaft unbesetzte Stellen gefüllt werden, und die Produktivität allgemein gesteigert wird.  

Wenn ich einen Roboter programmieren kann, können Sie das auch.  

 

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Über den Autor: Henner Brandes

Als Communications Specialist unterstützt Henner Brandes die Unternehmenskommunikation von Agile Robots. Dabei ist es ihm besonders wichtig, Robotikthemen praxisnah, transparent und spannend zu vermitteln – unabhängig vom Kenntnisstand der Leser. Dies gelingt ihm durch eine enge Zusammenarbeit mit den technischen Experten von Agile Robots. Darüber hinaus profitiert Henner von seinen branchenspezifischen Erfahrungen, die er sich im Laufe seiner Karriere angeeignet hat und die von Beginn an eng mit Robotik und technischer Kommunikation verknüpft sind.